
Bei strahlendem Sonnenschein trafen wir uns auf dem Parkplatz Manthalerhammerweg bei Farchach (in der Nähe des Starnberger Sees), um beim zweiten Orientierungslaufwettbewerb Sektion Karpaten Cup II teilzunehmen. Die Spannung lag in der Luft, einige holten sich auf die Schnelle die letzten OL-Tipps. Die Teilnehmerzahl hat sich seit der ersten Sektion Karpaten Cup I 2020 verdoppelt. Die Hälfte der Teilnehmer nahm bereits daran teil. Für Alex und mich, die Organisatoren, war es eine große Freude so viele Teilnehmer begrüßen zu dürfen, weil wir unserer Vision, die Zahl der Orientierungsläufer in unserer Sektion zu erhöhen, einen Schritt nähergekommen sind.
Was ist Orientierungslaufen?
Mit Hilfe von Karte und Kompass werden mehrere Kontrollpunkte (sogenannte Posten) im Gelände der Reihe nach angelaufen. Die Standorte dieser Posten sind in einer speziellen Orientierungslaufkarte eingezeichnet. In der Regel sind diese zu einer Bahn verbunden und müssen in der vorgegebenen Reihenfolge angelaufen werden. Ziel beim Orientierungslauf ist es, die komplette Bahn in der schnellsten Zeit zu bewältigen. Die Karten sind speziell für diese Sportart erstellt und haben einen Maßstab von 1:7.500 bis 1:15.000 (z.B. 1 cm auf der Karte sind 150 Meter im Gelände). Dazu gehört noch ein Kompass. Andere Orientierungshilfsmittel werden nicht eingesetzt, sonst würden der Reiz und der Sinn dieser Sportart verloren gehen. Es gibt auch OL mit dem Mountainbike oder auf Ski.

Für diesen Wettbewerb hatten Alex und ich am Vortag drei Bahnen im Wald gelegt. Eine von 5,6 km, Schwierigkeitsstufe schwer, eine von 3,6 mittelschwer und eine für Kinder und Anfänger 2,3 km, leicht. Um 11:00 Uhr starteten die ersten Läufer. Wie läuft die Orientierung ab? Zuerst nordet der Läufer die Karte mit dem Kompass, danach geht der Blick auf die Karte, dann ins Gelände, um das Gesehene zu erkennen: Wege, Pfade, Dickicht, Lichtungen, Wurzelstöcke, Gruben, Grenzsteine usw. Die OL Läufer müssen sich auf der gewählten Route ständig orientieren, um den nächsten Kontrollposten, ein dreiseitigen weiß-orangenen Schirm zu finden. Nähert er sich dem Posten, beginnt die Feinorientierung. Dazu gehört auch das Anpeilen mit dem Kompass. Wenn er den Posten findet, macht sich ein Glücksgefühl breit. Er stempelt, um den Nachweis zu erbringen, dass er dort war, anschließend setzt er seinen Lauf zum nächsten Posten fort. Durch das ständige Orientieren nimmt der Läufer die Anstrengung nicht wahr. Im Ziel wartet die Freude, dass er die Bahn geschafft hat, selbst wenn nicht alles glatt gelaufen ist. Die Kombination von Kondition, Konzentration und dem Naturerlebnis begeistert.
Die Wiege des Orientierungslaufs sind die skandinavischen Länder. Der erste bekannte Orientierungslauf fand 1897 in der Nähe von Oslo statt, auf einer Karte mit dem Maßstab 1:30.000. Als Geburtsstundegilt der OL-Wettkampf mit 155 Teilnehmern, der 1919 unweit von Stockholm in Schweden stattfand. Im Jahre 1933 fand im Tegeler Forst in Berlin der ersten OL in Deutschland statt, in Rumänien in Arad 1946. Im Mai 1961 wurde in Kopenhagen die International Orienteering Federation (IOF) gegründet und 1977 vom Internationalen Olympischen Komitee (I.O.C.) als olympische Disziplin anerkannt. Zurzeit gehören dieser Organisation 80 Mitgliedsnationen an, die überwiegend in Europa, Amerika und Ost-Asien angesiedelt sind
Nach 1 h und 8 min erreichte der erste Läufer das Ziel, Andrei Stefan, der die schwere Bahn von 5,6 Kilometer lief. Eine Spitzenzeit, weil sich die tatsächlichen gelaufenen Kilometer auf acht addierten und die Orientierungsaufgaben keine leichten waren. Kurz danach lief unser Gast aus Schorndorf Robert Miess in 1 h und 12 min ein. Eine großartige Leistung, da er über ein Jahrzehnt älter als der Sieger ist. Der dritte Platz ging an Egon Kirschner aus Böblingen mit 1 h und 55 min.
Siegerin Frauen – Alsbeta Souckova Sieger Männer – Andrei Stefan
Der Wunsch eine Orientierungslaufgruppe in der Sektion Karpaten zu gründen, begleitete mich seit meiner Umsiedlung nach Deutschland 1990. Weil ich dem Bergsteigen eine größere Bedeutung zuordnete und es keine OL-Karten in der Nähe meines Wohnorts gab, dauerte es bis 2018 um diesem Wunsch ein Stückweit näher zu kommen. Seitdem gibt es unweit von meinem Wohnort Geretsried (15 km) eine OL-Karte, die „Wadlhauser Gräben“. Somit begann ich OL-Ausbildungen und Trainings anzubieten. 2020 organisierten wir gemeinsam mit Alex Ciobanu den ersten Orientierungslaufwettbewerb, Sektion Karpaten Cup I, an dem 12 Läufer teilnahmen.

Zusammen mit Alex Ciobanu aktualisieren wir jedes Jahr die OL-Karte, legen und prüfen die Bahnen. Zuerst wird die Bahn am PC mit einem speziellen OL Programm, OpenOrienteering auf die Karte gezeichnet, danach geht es in den Wald um die Posten dort ausfindig zu machen. Das sind viele Stunden am PC und viele Tage, die wir im Wald verbringen. Der „Lohn“ dafür sind die zufriedenen Gesichter und das eine oder andere Lob der Teilnehmer nach dem Wettbewerb.
Meine Leidenschaft für den Orientierungslauf geht weit zurück in die Jahre 1986-1989. In Mediasch (Rumänien) leitete ich im Rahmen der Alpingruppe Adonis eine Orientierungslaufgruppe.
Zu den Aktivitäten gehörten wöchentliches Training, die landesweite Teilnahme an Wettbewerben und das Organisieren von OL-Wettbewerben in Mediasch. 1988/89 organisierte die Gruppe Adonis den „Frühlings-Pokal“, bei dem jeweils 20 Läufer um den Sieg konkurrierten. Die OL Gruppe der Adonis nahm an vielen Wettbewerben teil, wie zum Beispiel: der internationalen „Prahova-Tal-Pokal“, die Marathon-Orientierungsläufe (ca. 30 km) in Plopeni und die „Cupa Zarandului“, den Kreismeisterschaften im „Jungen Wald“ in Hermannstadt.

Robert Miess ist einer der aktivsten Läufer und pflegt seine Leidenschaft für diesen Sport bis heute. Seine Begeisterung für den Orientierungslauf beschreibt er wie folgt: „Die Bewegung in freier Natur mit der ganzen landschaftlichen Vielfalt und jedes Mal ein anderes unbekanntes Waldgebiet, das immer eine neue Herausforderung bedeutet. Man kann den OL fast mit einem Kreuzworträtsel vergleichen. Am Ende des Laufes freut man sich, dass man alle Posten gefunden hat. Danach die Diskussionen und Analysen mit den anderen Läufern. Die vielen Freundschaften, die man dabei schließt, sind selbstverständlich eine große Bereicherung.“
Unsere Vorbilder waren die Organisatoren der Orientierungsläufe, die mit viel Enthusiasmus und Idealismus die Wettbewerbe in Siebenbürgen organisierten: Heinz Desideriu, Herausgeber des Buches „Orientierung, der Sport der Wälder“ (Orientarea sportul padurilor) und 1978 Gründer des Orientierungsclub Hermannstadt. Besonders engagiert und ein guter OL-Läufer war in Hermannstadt Reinhold Gutt, in Heltau Kurt Henning. Die Kronstädter Richard und Klaus Schuller erhielten 1969 die höchste Auszeichnung im rumänischen Sport „Meister des Sportes“ (Maestru al sportului) im Orientierungslauf, dank ihrer vieler erfolgreichen Platzierungen bei nationalen Landesmeisterschaften. Richard und Klaus Schuller waren und sind Mitglieder der Sektion Karpaten.

Nach und nach erreichten alle Teilnehmer das Ziel. Zu unserer Freude waren auch zwei Kinder dabei, Thomas (11) und Luis (13), die ihre Orientierungsaufgaben gut lösten. Die Mama, Brigitte Jöhl, lief auf der 3,6 km Bahn auf den zweiten Platz. Der erste Platz ging wie letztes Jahr an Alsbeta Souckova, mit einer Zeit von 58 Minuten. Auf dieser Bahn siegte bei den Männern Marius Gidea, gefolgt von Detlev Antosch und Michail Zayika (79 Jahre alt). Weitere Teilnehmer waren: Ines und Renate Kirschner, Marieke Stadler, Dagmar Götz, Anna Zayika, und Ionut Aluas

Das Ziel der Läufer ist an weiteren OL Wettbewerben teilzunehmen um im kommenden Jahr an einem der härtesten und schwersten OL Wettbewerbe, dem 24 Stunden OL Staffellauf, teilnehmen zu können. Mitglieder der Sektion Karpaten, der Alpingruppe Adonis, nehmen seit 1994 an diesem Wettbewerb teil, der alle zwei Jahre in Thüringen stattfindet. Das Team, das aus sechs Läufer besteht, nennt sich „Karpatenrudel“. Diesem gehören: Petra Schneider, Dagmar Götz, Alfred Gündisch, Patrick und Hansotto Kelp, Robert Miess (unser Organisator) und ich an. Im Vordergrund stehen der Spaß am Orientieren und die Gemeinschaft.

Hansotto Kelp beschreibt seine Begeisterung für den OL: „OL ist Gehirn-Jogging, da man dieses ständig beansprucht. Somit ist es nie langweilig und wird sogar zum Abenteuer, wenn man sich verläuft. Der Adrenalinspiegel steigt, es wird noch spannender als es eh schon ist, weckt den Kampfgeist und das Ego. Manchmal macht sich Verzweiflung breit, doch sobald man wieder weiß wo man ist, tritt Genugtuung und Zuversicht ein, dass es gut geht.“
Das Auffinden jedes einzelnen Postens im Wald, in Parks oder Städten nur mit Hilfe des eigenen Könnens, sorgt immer wieder für neue Motivation und ist ein aufbauendes Erlebnis. Kein Lauf gleicht dem andern, jedes Mal unbekanntes Gelände, in dem die Laufroute selbst gesucht werden muss. Gerade wenn man nicht über einen ausgeprägten Orientierungssinn verfügt und sich bei den Läufen immer wieder Fehler einschleichen, steigt der Wille sich beim nächsten Mal besser zu orientieren.

Im Vordergrund steht dabei nicht das Besiegen eines Gegners, sondern die erfolgreiche Bewältigung der gestellten Herausforderungen, geistig und körperlich beweglich zu bleiben. Das Alter für den Einstieg in den OL spielt keine Rolle. Schon kleine Kinder können mit sogenannten Kinder-OLs, spielerisch an den Sport herangeführt werden. Genauso verschließt sich Orientierungslauf keinem, der im fortgeschrittenen Alter noch einmal etwas Neues ausprobieren möchte. So eine OL-Bahn kann zum Vergnügen und Spaß auch abgegangen werden, statt zu Laufen. Ein Spaziergang wird so zu einem angenehmen Erlebnis und Eure Gesundheit freut sich darüber.
Liebe Mitglieder, ich wünsche mir, dass ich bei Euch das Interesse für diese Sportart geweckt habe. Eine, die garantiert für Spannung, Entspannung und Zufriedenheit sorgt. Wenn ihr Orientierungslaufen ausprobieren möchtet, wendet Euch im Raum Stuttgart an Robert Miess (michi-robby@arcor.de) oder Hansotto Kelp (coky@gmx.de) und im Raum München an mich (Reinhold-Kraus@online.de) und nehmt die Ausbildungsangebote auf der Homepage www.sektion-karpaten.de wahr.