Es fehlt an modern ausgestatteten Berghütten in den rumänischen Karpaten. Diese Tatsache wird nun durch eine Übersicht und Bewertung bestätigt, die der Bergführer Andrei Dumitrescu im Auftrag des Siebenbürgischen Karpatenvereins (SKV) vorgelegt hat. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden Ende 2023 auf mehreren Videokonferenzen präsentiert, die der SKV-Präsident Marcel Șofariu moderierte. Anschließend stellte der Architekt Nick Tulban vor, wie heutzutage Berghütten in mittel- und westeuropäischen Gebirgen ausgestattet sind. Dazu gehören untersuchte Beispiele aus Regionen mit hoch entwickelten und entsprechend geregeltem Bergtourismus, etwa aus den Pyrenäen, den Ostalpen oder den Bayerischen Voralpen. Bei der Untersuchung ging es um die Beschreibung des aktuellen Zustands und der Ziele, die erreicht werden sollten. All dies geschieht im Rahmen eines Projekts zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in rumänischen Berghütten. Dabei handelt es sich um ein Projekt der Europäischen Klimaschutzinitiative (EUKI), die vom SKV mit der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV) als Partnerin durchgeführt wird. Das Vorhaben startete vor einem Jahr und soll bis März 2025 laufen. Es wird mit rund 140.000 Euro gefördert über die 2017 vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz initiierte EUKI.
Nur zwei Hütten im Besitz von Wandervereinen
Andrei Dumitrescu benutzte als Ausgangspunkt seiner Untersuchung das 1964 erschienene „Handbuch der Schutzhütten“ von Gheorghe Epuran („Ghidul cabanelor“). Er nahm sich 59 alte Schutzhütten vor und wollte wissen, wie es um diese heute bestellt ist. Dabei ging es etwa um Kriterien wie Ausstattung, Komfort, Eigentumsverhältnisse, Versorgung oder Umweltschutz. Nur bei sieben von ihnen konnte er feststellen, dass diese – dank erfolgter Sanierungsarbeiten – eine den heutigen Ansprüchen entsprechende Unterkunft bieten können. Dazu gehören die Hütten Dochia und Fântânele (beide im Ceahlău-Massiv), die bekannte Negoiu-Hütte im Fogarascher Gebirge und die SKV-Hütte „Julius Römer“ am Schuler.
Im Fall von 14 anderen Hütten scheint die Zeit stillgestanden zu sein. Dort sind die gleichen Bedingungen wie vor gut einem halben Jahrhundert vorzufinden. Einige konkrete Beispiele dazu: In „Curmatura“ am Königstein gibt es kein fließendes Wasser und keine Toiletten in der Hütte; in der „Podragu“-Hütte ist es kalt; in der „Bărcaciu“-Hütte sind dieselben Matten und Pritschen wie zur Zeit der Errichtung vorzufinden. Das mag für manche romantisch und nostalgisch erscheinen, doch die meisten Wanderer wünschen sich mehr. Es wird mittlerweile ein gewisser Standard des Wohlbefindens erwartet, ohne dass dieser in Luxus ausarten muss. Zu dieser Kategorie gehören auch andere, den Bergfreunden gut bekannte Schutzhütten wie: Turnuri, Valea Sâmbetei im Fogarascher Gebirge oder Caraiman und Mălăiești im Bucegi-Gebirge.
Zu einer weiteren Kategorie gehören jene Hütten, die inzwischen umgebaut wurden, teilweise als Hotels gelten und die nun an Straßen gelegen sind, sodass sie nicht mehr als echte Berghütten bezeichnet werden können. Dazu gehören: Bâlea Lac und Bâlea Cascadă, Rarău, Ciucaș oder Bolboci. Andere acht Hütten sind inzwischen von Neubauten umgeben und in Luftkurorten von nationaler oder regionaler Bedeutung verortet. Das ist der Fall im Parâng (Rânca), Straja, oder Scărișoara und Padiș (beide im Westgebirge/Apuseni) bzw. Mădăraș im Harghita-Gebirge. Weitere vier Hütten öffnen ihre Türen nur einem bestimmten Publikum, sind also nicht mehr echte Schutzhütten für alle Wanderer. Das gilt für Rentea, Sureanu, Susai und Sava. Letztere ist eine Hütte, die die alte abgebrannte Hütte am Bolnoc ersetzt. Andere fünf Hütten sind ganz geschlossen worden. Die bekanntesten Namen in dieser Gruppe sind die ehemalige SKV-Hütte auf der Hohen Rinne/Paltinis und Scropoasa (Bucegi). In der letzten Gruppe werden acht Hütten aufgezählt, die durch einen Brand, eine Lawine oder eine Gasexplosion zerstört wurden oder inzwischen nicht mehr genutzt werden können. Einige Beispiele: Urlea, Clăbucet Plecare, Prejba, Puzdrele und Vârful cu Dor.
Hervorgehoben wird, dass lediglich zwei Hütten („Julius Römer“ und die Hütte am Hohenstein) im Besitz von Wandervereinen (also dem SKV bzw. dem ungarischen Verein EKE) sind. Was die Unterkunftskapazität in echten Berghütten betrifft, so ist diese bei den untersuchten Hütten von 4.373 Plätzen im Jahr 1964 gegenwärtig auf 1.030 gesunken. Allerdings muss erwähnt werden, dass in den 1970-er Jahren auch neue Hütten gebaut wurden (z.B. Miorita, Garofita, Valea Dorului, Cuca), die knapp über 700 Übernachtungsplätze anbieten.
Untersucht hat Dumitrescu auch 13 Unterkünfte, die vom Bergrettungsdienst Salvamont oder von anderen Organisationen betrieben werden, und in denen unter bestimmten Voraussetzungen auch übernachtet werden kann. Eine Sondersituation stellen zwei Panorama-Unterkünfte (Piatra Poienii, Bicaz-Klamm, und Gyilkos beim Mördersee/Lacul Roșu) dar – moderne Bauten mit zwei bzw. vier Plätzen – eine Exklusivität, die man sich durch eine rechtzeitige Buchung sichern kann.
Modern und nachhaltig ist leider nicht billig
Im zweiten Teil der Videoschalte stellte Architekt Nick Tulban vor, wie er moderne Berghütten in den Pyrenäen, in den Alpen Österreichs und Sloweniens sowie in Bayern vorgefunden hat. Besucht wurde auch die – allerdings etwas ältere – Gleiwitzer Hütte, die im Nationalpark Hohe Tauern in Österreich verortet ist und deren Hüttenpatenschaft die Sektion Karpaten des DAV übernommen hat. Tulban stellte anhand von Fotos technische Details vor, aus denen hervorging, auf welche Art bei den meisten der zwölf besichtigten Hütten Probleme der Energie- und Wasserversorgung durch nachhaltige und umweltfreundliche Lösungen behoben wurden. Viel Wert wird in der Regel dabei auf möglichst wenig umweltbelastende Abwasser- und Abfallentsorgung gelegt. Für die Versorgung dieser Berghütten, die in der Regel abseits von Forststraßen liegen, hat sich in der Regel die Seilbahn besonders bewährt. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass diese Hütten in der kalten Jahreszeit nicht bewirtschaftet sind, dass sie also zwischen Oktober und April geschlossen bleiben.
Tulban nannte auch eine Summe, die für den Neubau einer solchen modernen klimafreundlichen Hütte notwendig wäre. Die teuerste dürfte an die 4 Millionen Euro kosten. Einfachere Varianten, gedacht für eine Kapazität von 80 Übernachtungsplätzen, kosten auch um die 2 bis 2,5 Millionen Euro.
Diese Summen sind sehr hoch und außerhalb des Rahmens, der dem SKV und selbst der neu gegründeten Allianz der Berghütten (SKV, Clubul Alpin Român, EKE) zur Verfügung stehen. Deshalb wurde während dieser Videokonferenzen darauf hingewiesen, dass eine zusätzliche EU-Förderung oder staatliche Subventionen an die Bergvereine unbedingt notwendig sind, um von Grund auf eine Hütte nach diesen technischen Standards zu bauen. Um so etwas zu beantragen, ist eine Machbarkeitsstudie eine unabdingbare Voraussetzung. Nun sollte geschätzt werden, für wie viele Touristen eine solche Hütte gedacht ist (sowohl was Übernachtungs- wie auch Tagesgäste betrifft) und vielleicht auch, welche der Kriterien betreffend Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit neu überdacht werden könnten.
Der berüchtigte Teufelskreis muss durchbrochen werden: Neue Hütten fehlen auch, weil die Touristen ausbleiben und somit die Nachfrage nicht da ist; die Touristen sind aber noch nicht so zahlreich, eben weil sie nicht die entsprechenden Berghütten vorfinden.
Dieser Artikel ist am 5. Januar 2024 in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien erschienen und wurde für die Website der Sektion Karpaten geringfügig redigiert.
Fotos: Detlev Antosch
Titelbild: Ralf Sudrigian