Alles Schlechte hat auch was Gutes, so auch die Coronazeit! Viele Sektionsmitglieder suchten eine Alternative für den geplanten Auslandsurlaub und entdeckten das Fahrradfahren durch die deutschen Lande. In diesem Bericht erzählen sie ihre Erfahrungen. Entdeckt wurde das erste Laufrad bereits 1817, um 1866 das erste Tretkurbelrad patentiert, 1867 das Hochrad mit Speichen, 1884 das moderne Rad mir einem Rohrrahmen, der erste Luftreifen 1888, das Mountainbike 1973 usw. Die Entwicklung geht auch heute in einem rasanten Tempo weiter und davon profitieren alle die gerne Fahrrad fahren. Renate Kirschner meint: „Fahrradfahren ist die schönste Art von einem Ort zum nächsten zu kommen, nicht zu langsam, nicht zu schnell, doch mit viel Zeit zum Beobachten und Staunen“
Noch nie war es so einfach wie heute eine Fahrradtour zu organisieren und durchzuführen, dank der guten Fahrräder, der digitalen Navigationssysteme, der Infrastruktur. Aufgrund der verschiedenen Arten von Fahrradtypen, kann man individuelle Fahrradreisen in und um Deutschland organisieren. Bei der Auswahl der Route kommt es drauf an, welche Wegetypen man fahren möchte sowie auf die Kondition jedes Einzelnen oder der Gruppe.
Tipps und Gedankenanstöße
Die meisten Fahrradreisen dauern eine Woche. Das Gepäck sollte nicht mehr als etwa 10-12 Kg wiegen. Es ist ratsam die Werkzeugtasche mit folgendem zu bestücken: Werkzeug (Multifunktionstool), Reserveschlauch, Flickzeug, Kettenreparaturset, Bremsbacken, Schaltauge. Letzteres ist sehr wichtig, weil es von Fahrrad zu Fahrrad unterschiedlich ist und somit die Wahrscheinlichkeit das passende Schaltauge unterwegs zu kaufen sehr gering. Wenn dieses verbogen ist, funktioniert die Gangschaltung nicht mehr.
Hans Hügel, Fachübungsleiter Mountainbike (MTB) der Sektion Karpaten, weist darauf hin, dass bei den rasanten Abfahrten ein Fahrradhelm unentbehrlich ist. Um bei der Abfahrt mehr Sicherheit zu haben, ist ein automatisch absenkbarer Sattel zu empfehlen. Somit wird der Schwerpunkt des Körpers gesenkt und das Gleichgewicht kann besser gehalten werden. Um Unfälle zu vermeiden, sollte ein Fahrrad-Check vor dem Losfahren durchgeführt werden, um zu prüfen ob alles fest ist und die Bremsen funktionieren. Unerlässlich ist es, die Fahrradtechnik zu beherrschen, um insbesondere beim Abfahren die ideale Position einzunehmen. Empfehlenswert ist, einen MTB Kurse zu besuchen.
Dieselbe Begeisterung mit verschiedenen Fahrradtypen
Inge und Dietmar Jäger wählten Trekkingräder für den Neckartal Radweg, der von der Quelle bis zur Mündung auf 390 Kilometer gut beschilderten Weg verläuft, welche zum größten Teil fernab vom Straßenverkehr liegen. Die Trekkingräder reihen sich zwischen dem Straßenfahrrad und dem Mountainbike ein. In fünf Tagen fuhren sie von der Quelle des Neckars, aus Villingen- Schwenningen bis Mannheim und waren begeistert von der vielfältigen Landschaft des Neckars und seiner Romantik. Inge berichtet: „Anfangs schlängelt sich der Radweg durch ein enges waldbedecktes Tal der Alb, durchquert dann unzählige Weingärten, deren Blickfang die ziegelroten Weinberghäuschen sind, bevor er dann den Reisenden mit seinen Burgen, Schlösser und Ruinen verzaubert. Neben den bekannten, zum Teil historischen Städten, wie Tübingen, Esslingen, Hirschhorn, Heidelberg, stießen wir auf Bad Wimpfen, ein wahres „Juwel unter den Neckarstädten“. Wir waren begeistert von den verwinkelten, gepflasterten und steilen Gassen mit ihren zierlichen eng aneinander liegenden Fachwerkhäuschen, ebenso von dem atemberaubenden Ausblick auf den Neckar. Fahrradfahren bedeutet für mich nicht nur Kilometer abfahren, sondern ein Stück Freiheit. Ich genieße die Möglichkeit wann immer stehen zu bleiben, grüne Wiesen, goldene Kornfelder, voll behangene Kirschbäume, leuchtend rote Mohnblumen zu bewundern. Trotz der Anstrengung genieße ich den Fahrtwind, die Sonne und auch den Regen auf meiner Haut. Dazu kommt das Glücksgefühl es geschafft zu haben, nach jeder Tagesetappe und als wir unser Ziel erreichten. Den Neckar Radweg kann ich jedem ans Herz legen!“
Renate und Egon Kirschner entschlossen sich mit Mountainbikes im Juni 2020 aus ihrer Heimatstadt Böblingen nach Berlin zu radeln. In 12 Tagen sind sie 857 Kilometer und 5.470 Höhenmeter gefahren, durchquerten fünf Bundesländer: Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg. Renate erzählte von der Ankunft in Berlin: „Ich bin zufrieden die Hymne pfeifend durch das Brandenburger Tor geradelt. Obwohl es hin und wieder in diesen Tagen regnete, hatten wir viel Spaß, erst recht als uns Dagi und Reini vier Tage lang begleiteten. Begeistert haben mich die vielen Mohn – und Kornblumen am Wegesrand, die kleinen Dörfer, aber auch die Architektur und Geschichte der Städte.“ In Erlangen sind wir, Dagmar Götz und ich mit unseren Mountainbikes, zur Radtour der Kirschners dazu gestoßen und sind zusammen 385 km durch den Thüringer Wald nach Leipzig geradelt. In Jena erwartete uns mein langjähriger Freund Peter Vitzthum, der uns ein Stück des Weges begleitete. Er empfing uns mit einem Schnaps, da erkannten wir gleich Parallelen zwischen der Siebenbürgisch-Sächsischen und der Thüringischen Kultur.
Vorgebucht haben wir unsere Herbergen bei unserer zweiten Fahrradtour Anfang Juli von Pirna (Sachsen) nach Berlin, 285 km. Im Spreewald verbrachten wir einen Tag, um mit dem Kajak auf den berühmten Wasserkanälen der Spree zu paddeln. Reiher, Biber, Seerosen, Wasserhyazinthen und die schmalen Wasserstraßen, begeisterten uns. Durch Kiefer- und Fichtenwälder sowie durch Laubwälder mit Eichen, Birken, Buchen, vorbei an Wiesen auf denen Mohnblumen, Margeriten, Buschwindröschen oder die Feldkamille blühten, ging´s nach Berlin. Hier besichtigten wir mit dem Fahrrad und mit dem Segway unsere wunderschöne Hauptstadt, deren Denkmäler und Museen die erfolgreiche aber auch die schandhafte Geschichte dieser Stadt offenbaren: Die Regierungsgebäude, das Mauermuseum, die Museumsinsel, das Holocaust Mahnmal, mit dem dazugehörigen Museum, die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche im ehemaligen Westteil von Berlin, um nur einige zu nennen.
Mit dem Flixbus kehrten wir aus Berlin nach Dresden zurück, zum Startpunkt unserer Reise. Diese Busfahrten sind sehr günstig, das Ticket mit Fahrrad kostet für 200 km knapp über 30 Euro/Person. So ein Bus kann allerdings nur 3 Fahrräder transportieren. Eine weitere Option zum Ausgangspunkt zurückzukehren, ist der Zug. ICE Züge nehmen keine Fahrräder mit, deshalb sollte das Augenmerk auf Schnell- und Regionalzügen liegen. Der Wagon in dem Fahrräder transportiert werden können ist gekennzeichnet. Ist die Gruppe größer, sollten die Fahrradfahrer sich auf mehrere Wagons verteilen, weil in der Regel nicht mehr als fünf Fahrräder darin Platz haben. Empfehlungswert ist es Fahrradplätze vorher zu reservieren. Fährt man über die Alpen, kann man für die Rückfahrt auch einen Schuttlebus buchen.
Rafael Wiater und Heike Kraus (meine Tochter) waren mit unterschiedlichen Fahrrad-Typen auf einer dreiwöchigen Bike-Packing Tour unterwegs. Rafael mit einem Gravel-Bike, die
„Eierlegende Wollmilchsau“ – unter den Fahrrädern, welches einen leichten aber stabilen Rahmen hat, und Heike mit einem 29 Zoll Mountainbike (Radgröße). Bike-Packing ist eine Kombination von Radfahren und Camping. Die Campingausrüstung: ein leichtes 2-Personen-Zelt mit Zeltunterlage, 2 Luftmatratzen, 2 Seidenschlafsäcke sowie einen Daunen-Quilt (Daunendecke). Diese wog insgesamt gerade mal 3 Kilogramm. Sie starteten in München, fuhren in drei Tagen bis Weiden in der Oberpfalz, vorbei an schönen Städten wie Abensberg, Regensburg und Nabburg. Aufgrund der ungünstigen Wetterprognosen versetzten sie ihre Tour nach Südtirol, fuhren bei 35° und mehr am Fluss „Etsch“ entlang, vorbei am Caldonazzo – und am Gardasee, bis nach Verona. Mit dem Zug ging´s dann nach Florenz – eine beeindruckende Stadt – von dort durch die toskanische „Prärie“. Heike erzählte: „Trotz der großen Hitze von bis zu 40 Grad bestand die Herausforderung darin, den Blick für die Schönheit der toskanischen Landschaft zu behalten, welcher uns herrliche Ausblicke auf weite Täler gesäumt mit Zypressen und alten Steinhäusern bot. Wir legten insgesamt 1.047 Kilometer und 10.016 Höhenmeter zurück und waren ca. 61 Stunden im Sattel. Letztendlich bedeutet das Fahrradfahren für uns die Abkoppelung vom Alltagsstress, da man sich voll auf das „Hier und Jetzt“ konzentriert und die Erkenntnis darüber, zu welcher Leistung man imstande ist, selbst wenn man glaubt da geht nichts mehr – dann geht doch noch Einiges“.
Zum Navigieren nutzte Rafael ein GPS Gerät von Garmin. Seine Touren plante er allerdings auf dem Handy mit der Komoot App. Die Routen kann man problemlos auf das GPS Gerät übertragen. Ich navigierte auch mit der gleichen App, verfolgte die Route direkt auf dem Handy. Es gibt verschiedene Handyhalterungen für das Fahrrad, somit brauch man nicht zwingend ein GPS Gerät. Auf dieser Navigations-App kann man verschiedene Arten von Fahrradrouten wählen: Rennrad, Fahrrad, Mountainbike (MTB), Gravelbike (Schotter), E-Bike oder MTB Enduro. Die Wahl hängt von dem Fahrrad ab welches zur Verfügung steht und den Wegen die man fahren möchte. Zu beachten ist, dass der Akku im Handy ca. 50 Kilometer reicht, danach kann man es an eine Powerbank anschließen, die es während der Fahrt lädt.
Heike Kraus und Rafael Wiater in Südtirol Fahrradtour in Coronazeiten
Die Mountainbiker
Auch die Mountainbiker kommen in Deutschland auf ihre Rechnung. Peter Schoger, Peter Geiger, Daniel Boschert, Daniel und Gerald Blahm (Tschuta) sind drei Tage im Erzgebirge den „Stoneman Miriquidi“ gefahren. Aus Annaberg-Buchholz fuhren sie über fünf Gipfel: Bärenstein, Pöhlberg, Scheibenberg, Rabenberg, Auersberg und Fichtelberg und fünf Talsperren. Auf 170 Kilometern verläuft die einmalige Strecke mit vielen neuen Trails (Pfade) über fast 5.000 Höhenmeter durch den erzgebirgischen Dunkelwald. Insgesamt 33 Prozent der Strecken verlaufen auf unbefestigten Wegen, Pfaden oder Single-Trails. Tschuta erzählte mir von seinen Eindrücken: „Die Landschaft erinnerte mich an Siebenbürgen. Die Leute in Sachsen sind sehr gastfreundlich. Als wir am ersten Tag durch den Regen fuhren, fragte Peter in einem kleinen Dorf eine ältere Frau wo es denn in der Nähe ein Kaffee gäbe. Die Frau bat uns in ihr Haus und machte uns einen Kaffee, und wir durften sogar unsere nassen Kleider bei ihr trocknen“.
Ein begeisterter Mountainbike-Fahrer ist Nelu Manta, der in Baden-Baden wohnt und somit oft im Schwarzwald unterwegs ist. Er hat zusammen mit seiner Frau Dana mehrere Male die Alpen überquert und Gebirgsgruppen, wie zum Beispiel die Sella Ronda umrundet oder die Tour du Mont Blanc gefahren. In Deutschland fuhr Nelu die MTB – Trans Schwarzwald-Tour, mit einer Länge von 440 Kilometer und 8.000 Höhenmeter. Die Ausrüstung beim MTB fahren, beschränkt sich auf ca. 6 Kilogramm, die man in einem Rucksack auf dem Rücken trägt. Er sagt: „Die Radtouren sind „Nahrungsmittel für die Seele“, wegen der Kombination von Naturerleben, Kultur, Geschichte und sportlicher Herausforderungen“.
Grete und Horst Kraus sind mit Fully-E-MTB gemeinsam mit Hans Hügel mit Fully-MTB den Frankenweg geradelt. Das ist ein Fernwanderweg, der sich über 520 Kilometer erstreckt, vom Rennsteig in Thüringen bis zur Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg. Hans erzählte: „Wir sind über Kronach, Kulmbach Bad Staffelstein, Wiesenttal bis nach Untertrubach über Forstwege, Wanderwege, teils gut zu fahrende Trails aber auch schwere Schiebe- und Tragestrecken geradelt. In fünf Etappen sammelten wir 200 Kilometer und stolze 5.300 Höhenmeter. Der Weg am Rennsteig führte durch Nadelwälder, mit weitläufiger Aussicht auf die umliegenden Täler. Mountainbikefahren ist für mich wie die Luft zum Atmen. Insbesondere liebe ich es über anspruchsvolle Single-Trails (Pfade), über Wurzeln und Steinen zu fahren und treppenartigen Absätze zu überwinden“.
Hans und Horst auf dem Staffelstein Hügel Hans auf dem Rennsteig
Gibt es einen Haken, was ist unangenehm bei solchen Reisen? Ich möchte Euch nicht verschweigen, dass das Sitzfleisch manchmal Schmerzen kann. Insbesondere die Untrainierten spüren die ersten drei Tage ihr Hinterteil. Danach wird’ s besser. Dagegen hilft in regelmäßigen Abständen im Stehen zu fahren, um die Blutzirkulation zu ermöglichen. Und wenn es mal stark regnet, macht man eine Pause und fährt danach weiter.
Egal mit welchem Fahrrad und auf welchen Wegen ihr fahrt, am Ende jedes Tages freut man sich über das Gesehene: Wälder, Wiesen, Weizen-Gerste-Roggen- oder Maisfelder, über die Schwalben, Störche, Spatzen, Möwen, Schmetterlinge, über die Dörfer und Städte, kleine und große Flüsse, Natur – oder Stauseen und stolz sein, dass man mit eigener Muskelkraft die Strecke bewältigt hat. Ihr werdet Euch darauf freuen, am nächsten Tag wieder in die Pedale treten zu können, neugierig über das was kommt, Euch freuen über die rasanten Abfahrten und mit fremden Menschen in Kontakt zu kommen. Ich möchte Euch noch verraten, dass das Bier oder ein Erfrischungsgetränk besonders gut schmeckt nach dem Radeln. Mir wurde auf meinen Fahrradreisen bewusst, dass es ein Privileg ist, in dieser friedlichen Zeit, in so einem wunderschönen Land zu leben.
Ein hoch auf den Drahtesel!
Herzlichen Dank an die Autoren für ihre Beiträge in diesen Bericht.