07.08.2020 – 10.08.2020
Am 2. Augustwochenende machte sich eine Gruppe von 10 „Karpatlern“ (6 Weiblein und 4 Männlein) unter der Leitung von Petra Maurer auf eine 4-tägige Bergtour in die Kreuzeckgruppe. Die Kreuzeckgruppe ist als Untergruppe der Hohen Tauern, wenig bekannt und erschlossen, da sie keine berühmten 3000er Gipfel und auch keine Gletscher besitzt, die man als Herausforderung überqueren müsste. Zum anderen führt keine Seilbahn oder Straße in die Nähe der Hütten, so dass die Hütten in mehrstündigen Fußmärschen erwandert werden müssen. Dadurch konnten dieser Gebirgsstock und seine Hütten ihren ursprünglichen und natürlichen Charakter weitestgehend bewahren. Wenn man hier unterwegs ist, taucht man ab in eine vergessene Welt, weswegen die Kreuzeckgruppe unter ihren Besuchern auch als „vergessenes Paradies“ oder „Imperium der Stille“ bezeichnet wird. Wer also einsame und anspruchsvolle Pfade, Stille, Natur pur fernab jeder Hektik sucht, ist hier genau richtig.
Die Gipfel der Kreuzeckgruppe erstrecken sich von ca. 2500 bis knapp unter 2800 m hoch, der Polinik ist mit seinen 2784 m ü. M. der Höchste Gipfel.
Unsere 4-tägige Tour beginnt am Almgasthof Bergheimat oberhalb des Ortes Irschen auf ca. 1600 m Höhe. Hier angekommen machten wir unsere Rücksäcke fertig, schnürten die Bergstiefel und waren nach wenigen Minuten abmarschbereit. Voller Vorfreude über die bevorstehenden Tage machten wir uns auf den Weg zur 2400 m hoch gelegenen Hugo-Gerbers-Hütte, unserem ersten Quartier. Eine Devise von Petra lautet „jeden Tag einen Gipfel zu besteigen“ … demzufolge wählten wir den etwas längeren Weg über den Scharnik (2657 m). Am Scharnik angekommen freuten wir uns über den imposanten Ausblick auf die umliegende Bergwelt – Gipfel der Hohen Tauern, Osttiroler Berge, Blick über die Gailtaler Alpen zu den Karnischen Gipfeln bis hin zu den Julischen Alpen in Slowenien.
Kurz vor der Hugo-Gerbers-Hütte kamen wir an einem Hochmoor vorbei. Von der Schönheit dieses weißen Wollgras-Meeres, welches in der Nachmittagssonne glitzerte, waren wir fasziniert. Irina, Angelika und ich konnten kaum aufhören zu fotografieren. Von der Sonne angestrahlt spiegelten sich einzelne Wollgrashalme im Wasser des hier noch sehr kleinen Mokarbaches. Ich hatte noch nie so viel und so schönes, rundköpfiges Wollgras gesehen, wie Wattebäuschchen standen die Köpfchen auf ihren Stängeln und glänzten im sanften Sonnenlicht um die Wette.
Nach ca. 20 Minuten erreichten wir die urige, kleine Hütte – das auf 2347 m Seehöhe gelegene Hugo-Gerbers-Haus mit Plumpsklo (Titelbild). Wer hier nach einer Dusche oder einem Waschraum Ausschau hält, sucht vergebens. Das gibt es in dieser Hütte nicht. Dafür gibt es eine ca. 100 m entfernte Quelle an der man sich waschen und die Trinkflasche auffüllen kann. Die Wirtsleute sind sehr nett, die Küche einfach. Trotz der Entbehrung der gewohnten Ausstattung fühlten wir uns wohl. Es wurde uns wieder bewusst, dass man auch mit weniger auskommt.
Die 2. Etappe unserer Tour war der Übergang von der Hugo-Gerbers-Hütte zur Feldnerhütte, der sowohl landschaftlich als auch bergsteigerisch zu den Höhepunkten des Kreuzeck-Höhenweges zählt. Unterwegs haben wir mit dem Hochkreuz (2709 m) einen der höchsten Gipfel der Berggruppe überschritten und mit einem kleinen Abstecher das, über der Feldnerhütte aufragende, Kreuzeck (2701 m) bestiegen. An diesem Tag sind es also 2 Gipfel! Zwischen den beiden Gipfeln kamen wir an einem malerischen Plateau vorbei, welches unter dem Namen „Vierzehn Seen“ bekannt ist (Bild 3). Gezählt haben wir 18 Wasserlöcher / Seen. Es handelt sich hierbei um die Überreste eines Karsees als Zeuge ehemaliger Vergletscherung. Heutzutage ist die Kreuzeckgruppe komplett frei von Gletscher. Vom Charakter her ist diese Gebirgsgruppe unseren Karpaten, v. a. dem Fogarascher Gebirge, sehr ähnlich. Die Fogarascher sind ebenfalls frei von Gletschern, haben viele Karseen, Trogtäler, Blockschutt und sind bis weit hinauf mit grünen Matten bewachsen, wie die Kreuzeckgruppe. Diese Ähnlichkeit führte dazu, dass man an die alte Heimat erinnert wurde und ab und an Wehmut und leichte Sehnsucht verspürte.
Diese Etappe war mit 8 h sehr lang und anspruchsvoll und so waren wir froh als wir die schöne, schindelbeschlagene, am Glanzsee gelegene Feldnerhütte erreichten. Die rund 130 Jahre alte Feldnerhütte der Sektion Steinnelke des ÖAV ist sehr liebevoll mit vielen kleinen praktischen Details eingerichtet, die man andernorts vermisst. Der Hüttenwart Bruno ist über 60 Jahre alt und mit seinen grauen Haaren, dem weiß-rot karierten Hemd, den ¾ Lederhosen, Wadenstrümpfen und seiner Urgemütlichkeit, ein Unikat. Als ich in die Hütte eintrat und Bruno in seiner „Arbeitskleidung“ in der kleinen, von der Sonne hell erstrahlten Küche werkeln sah, war ich sofort begeistert von der Hütte … und dem Wirt! Hier passt alles zusammen, der Wirt und die Hütte. Beide strahlen Ruhe, Einfachheit und Gemütlichkeit aus und das passt zu der Entschleunigung, die wir hier in der Kreuzeckgruppe auf Schritt und Tritt erleben dürfen. Das Essen ist einfache, leckere Hausmannskost. Bruno zaubert mit Ruhe und Geduld, wenn es sein muss, jeden Tag auch ein vegetarisches Gericht. Man merkt ganz einfach, dass Bruno seinen Beruf liebt. Diese Hütte ist auf jeden Fall ein Ort an dem man sich gerne länger aufhält.
Der 3. Tag war eher ein entspannter Tag, an dem wir eine kleinere gemütliche Wanderung unternommen hatten. Unser Ziel war ein kleiner Grasgipfel, ca. 2,5 h von der Feldnerhütte in Richtung Salzkofelhütte entfernt – die Annaruh mit ihren 2508 m. Der Platz lädt zum Verweilen und Nachdenken ein. Die Aussicht von der Annaruh ist beeindruckend. In alle Richtungen sieht man bis zum Horizont nur Bergketten.
Am letzten Tag wählten wir als Abstiegsroute zur Emberger Alm, treu der Devise unserer Petra „jeden Tag einen Gipfel“, den Weg über den Hochtristen. Da uns klar war, dass diese Variante 5 – 6 h Gehzeit erforderte und wir anschließend noch die Heimfahrt bewältigen mussten, starteten wir unsere letzte Etappe bereits 7 Uhr morgens. Von der Feldnerhütte stiegen wir über das Lackentaltörl, westlich um den Grafischen Tristen (ein Gipfel) zum Hochtristen (2536 m) hinauf. Unsere Entscheidung sollte sich doppelt lohnen. Zum einen war es wieder eine schöne Tour auf sehr schmalen Pfaden und zum anderen durften wir auf einem Felsen unfern des Weges in Gipfelnähe ein wunderschönes, großes Büschel Edelweiß bewundern und fotografieren.
Auch aus botanischer Sicht hat das Gebiet viel zu bieten. Wir haben auf unserer Tour viele besondere und geschützte Blumen bewundern dürfen. Neben dem Edelweiß, waren dies das blassrosa bis lila blühende Niedrige Seifenkraut, Zwerg Primel, Spinnweben Hauswurz, Arnika, Augentrost, Johanniskraut, Wollgras, Sprossende Hauswurz, um nur einige zu nennen.
Niedriges Seifenkraut; Foto: Brigitte Jöhl Arnika; Foto: Brigitte Jöhl Spinnweben Hauswurz; Foto: Brigitte Jöhl
Insgesamt war es eine sehr gelungene, gut organisierte Tour. Die meisten Teilnehmer kannten sich bereits von früheren Unternehmungen. Es war eine harmonische, lustige Gruppe, die Stimmung und der Zusammenhalt in der Gruppe waren hervorragend. Wir haben viel erzählt, gelacht und einfach Spaß gehabt (wie man auf dem gemeinsamen „Sprungfoto“ an der Feldnerhütte sehen kann). Es gibt viele schöne Fotos, die leider nicht alle veröffentlicht werden können.
Die Kreuzeckgruppe stellt aufgrund ihrer teils sehr schmalen Pfade, den vielen felsigen, oft ausgesetzten und nicht gesicherten Passagen hohe Anforderungen an Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Man gewöhnt sich daran und wächst mit den täglichen Anforderungen, was wiederum, zumindest für mich, der Tour einen zusätzlichen Reiz gab.
Liebe Petra, als Dankeschön, dass du uns in dieses „vergessene Paradies“ geführt hast, gibt es diesen “Überraschungsbericht“. Es war eine landschaftlich sehr schöne, abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tour in sehr netter Gesellschaft.