Auch an schönen, sonnigen Wochenenden wird man auf diesem Weg kaum Wanderer antreffen.
Der Anhalter Höhenweg verläuft im Norden der Lechtaler Alpen und ist quasi eine Verlängerung des Lechtaler Höhenweges, getrennt durch das Hahntennjoch.
Die Richtung ist immer die Gleiche: von Ost nach West, d.h. Startpunkt von der Anhalter Hütte nach Elmen. Vom Hahntennjoch (1894 m) geht der Lechtaler HW Richtung Süden und wir starten Richtung Norden zur Anhalter-Hütte (2040 m).
Da die Hütte zu Corona-Zeiten wegen Umbau geschlossen war, startete der erste Versuch im Herbst 2022. Diese Tour musste wegen schlechtem Wetter abgebrochen werden.
Dieser Höhenweg verbirgt keine technische Schwierigkeiten, sondern seine Länge lässt ihn „schwarz“ (schwierig) einstufen. Unterwegs gibt es keine Einkehr oder Unterstell-Möglichkeiten, sondern lediglich zwei Abstiegsmöglichkeiten, um die Tour vorzeitig abzubrechen.
Da der Zielpunkt in Elmen, im Lechtal sein soll und der Startpunkt am Hahntennjoch, sollten die Autos am Wanderparkplatz Wasserfall in Elmen geparkt werden. Nun bietet es sich an, mit dem Bus oder per ANHALTER hochzufahren. Wir nehmen das Wortspiel nicht zu wörtlich und verteilen die 3 Autos, mit denen wir angereist sind, an 3 Punkten. (Start – Mitte – Ziel)
Der Rest der Teilnehmer sind schon mal losgegangen und machten es sich auf der Sonnenterrasse der Hütte gemütlich. Der Anstieg zur Hütte war recht entspannt und auch das Wetter meinte es gut mit uns.
Über das Steinjöchl (2198 m) zwischen Falschem Kogel und Maldongrat (Gabelspitze) führt der Weg, gut gesichert, hinab zur Anhalter-Hütte 2040 m
In der Ferne erblickten wir die Hütte, wo die anderen bereits auf uns warteten.
Kurz vor der Hütte ist nochmal ein kurzer Anstieg, wo wir von den weidenden Tieren liebevoll begrüßt wurden.
Am Abend zog ein Gewitter durch und wir planten die Tour für den kommenden Tag.
„Was ist wenn?“ Die Meinungen gingen auseinander, die Entscheidung aber lag bei Petra, die die Organisation und Planung aufs Genaueste im Kopf hatte. Da der erste Versuch im vergangenen Jahr auch von ihr geplant worden war, wusste sie genau, was uns erwartet.
Mit dem Wetter kann keiner rechnen und es kommt, wie es kommt!
SAMSTAG: die TOUR
Wir wollten so früh wie möglich starten, um eventuell dem Gewitter, das für Nachmittag vorausgesagt wurde, zu entgehen. Aber 9 Stunden sind 9 Stunden, und die lassen sich nicht einfach in der halben Zeit abgehen …
Frühstück 7 Uhr, Start 7:30 Uhr. Halt, einer fehlt! So, jetzt sind wir alle und können ohne Verzögerung starten.
Das Wetter war ziemlich bewölkt, aber man sah immer öfter blaue Lücken am Himmel.
Der gesamte Weg ist ein Auf und Ab. Grüne Grasgipfel voller Blumen reihen sich aneinander und müssen bewältigt werden. Nur kurze Pausen (Aktivpausen) sind geplant, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen.
Nach der Umrundung der Namloser Wetterspitze 2553 m musste noch ein Geröllfeld überquert werden und einen Grashang steil bergauf.
Der Weg ist so gut wie nicht begangen. Lediglich die Stangen, die an bestimmten Stellen angebracht sind, weisen auf die Richtung des Weges. Also bei schlechtem Wetter oder Nebel ist es fast unmöglich sich auf diesem Weg zurechtzufinden. Weiterhin macht der rutschige Boden ein zügiges Gehen beschwerlich. Vom Gras so zugewachsen, dass eine besondere Konzentration, sowohl beim bergauf als auch beim bergab, notwendig ist.
Punkt 12 Uhr und wir sind am Egger Muttekopf (2311 m). Eine kurze Mittagspause ist angesagt. Es tut sowohl dem Magen als auch den Beinen gut. Noch ein Gipfelfoto und es geht weiter.
Nun geht’s nochmal richtig runter und dann wieder rauf zum zweiten Gipfel des Tages. An der Wegbeschaffenheit hat sich nicht viel geändert. Weiterhin rutschiger Boden und hohes Gras. Der Weg ist kaum zu finden. Da er sich aber immer am Grat entlang schlängelt, ist er gut auszumachen. An den steilen und ausgesetzten Stellen sind teilweise Ketten-Sicherungen angebracht, die auch ihre besten Jahre schon gehabt haben.
Das zweite Gipfelkreuz ist die Bschlaber Kreuzspitze, 2462 m. Die Sonne scheint und die Sicht ist gut. Mann sieht den gesamten Allgäuer Hauptkamm und natürlich die Lechtaler Alpen.
Richtung Norden ist von den Ammergauern bis hin zum Wetterstein alles zu sehen.
Im Hintergrund jedoch braut sich was zusammen. Man hört bereits das Grollen des herannahenden Gewitters. Leider gibt es hier keinen Plan B mehr und wir müssen den Weg zu Ende gehen.
Noch 3 „Grashügel“ und dann ist das Ende des Höhenweges erreicht. Dann gilt es nur noch ca. 1500 hm abzusteigen. Bis jetzt haben wir ca. 1000 hm bergauf und bergab zurückgelegt.
Der gesamte Höhenweg, von der Anhalter Hütte beträgt 1500 hm bergauf und 2500 hm bergab. Die Höhendifferenz zwischen Elmen und der Anhalter Hütte sind ca. 1000 hm.
Dazu kommen noch die ca. 15 km Strecke, die zurückzulegen ist.
Das Gewitter naht und wir müssen uns schleunigst aus dem Staub machen, um vom Grat herunterzukommen. Keine Pause, keine Fotos und kein Gipfelschnaps.
Die ersten Tropfen fallen und Regenkleidung ist angesagt.
Immer weniger ist vom Lechtal zu sehen und immer lauter werden die Geräusche am Himmel. Um so lauter es um uns herum wird, umso leiser werden die Gespräche. Jeder konzentriert sich nur auf seine Schritte, ein Fuß vor den anderen, und dass keiner ins Rutschen kommt. Jeder hat mal versucht, mit dem Boden Kontakt aufzunehmen.
Trotz einer nur kurzen Trinkpause dauerte der Abstieg ca. 4 Stunden. Volle Konzentration und Kraftanstrengung. Wir kamen ca. 18:30 Uhr in Elmen an. Durchnässt und müde nach einer anstrengenden Wanderung suchten wir nach einem trockenen Unterschlupf und einer warmen Mahlzeit. Die Fahrer machten sich auf den Weg, um die Autos einzusammeln und der Rest auf die Suche nach einem Tiroler Wirtshaus. Es war Wochenende, in Elmen gibt es nur eine Gaststätte und alle Lechtaler wollten heute auswärts essen.
Das Mitleid der Wirtin siegte und wir bekamen einen Tisch, an dem wir ausgiebig essen und trinken konnten. Mittlerweile war es bereits 21 Uhr, als wir uns auf den Heimweg machten. Die meisten von uns waren erst nach Mitternacht zu Hause.
Es war ein ausgefüllter, schöner Tag, mit Höhen und Tiefen, eine Wanderung, die wir nicht so schnell vergessen werden.
Ob einer von uns den ANHALTER HÖHENWEG nochmal gehen wird?
Fotos: Detlev Antosch