Mit dieser Ausschreibung sollten Familien mit Jugendlichen, sowie Interessenten, die schon immer mit dem Klettersteiggehen liebäugeln, sich aber noch nie herangewagt hatten, zum Mitmachen motiviert werden. Der Ansturm auf diese Tour war erstaunlich groß, denn es meldeten sich insgesamt 24 Personen an, davon 11 Jugendliche im Alter von 11 – 15 Jahren. Einen Klettersteig mit einer 24-köpfigen Mannschaft zu begehen ist schier unmöglich. Jemandem absagen wollte ich auch nicht, freute ich mich doch über das große Interesse. Also beschloss ich kurzerhand die Gruppe aufzuteilen und daraus 2 Tagestouren zu machen, zumal die Wetterprognose für beide Tage super war. Am Samstag nahmen dann 9 Erwachsen und 5 Jugendliche teil, während am Sonntag 12 Personen, davon 6 Kinder gemeinsam unterwegs waren. Lediglich mein Sohn Luis, Detlev und ich (Brigitte) waren an beiden Tagen auf Tour. So kam es dann auch, dass für diese Tour 2 Berichte entstanden. Das Spannende dabei ist, dass der Samstag aus der Sicht eines Mannes, der Sonntag mit dem Blickwinkel einer Frau geschrieben wurden. Viel Vergnügen beim Lesen!
Brigitte Jöhl
Samstag, 12.06.21 – Autor: Roman Nawroth
Sechs Uhr fünfundvierzig, blauer Himmel und optimale Temperaturen für eine Bergtour. Die Familie sitzt erstaunlich gut gelaunt im Auto Richtung Tegelbergbahn. Letzter Check, ob Ausrüstung für eine Klettersteigrunde und, ganz wichtig, eine ausgiebige Brotzeit auch eingepackt sind. Um diese Uhrzeit ist der Weg frei, die meisten Mitmenschen noch an ihren Frühstückstischen und so geht es zügig in die Voralpen. Das Panorama wird von Kilometer zu Kilometer besser und die Laune steigt, zumal unsere 12-jährigen Zwillinge heute bei der Familientour auf gleich eine ganze Gruppe ihrer Freunde treffen und nicht „nur“ die Eltern als Gesprächspartner ertragen müssen.
Endlich am Parkplatz angekommen, eröffnet sich der Blick auf Schloss Neuschwanstein, was bei allem Kitsch sich doch immer wieder traumhaft vor dem Säuling abzeichnet. Urlaubsfeeling kommt auf – und wir wohnen sogar hier, gerade mal 1,5 h entfernt. Gleich auf dem Parkplatz erfolgte dann ein erstes Kennenlernen der netten Gruppe und ein Foto für Hans, einen der Ausbilder der Sektion Karpaten, der heute Geburtstag hat und den natürlich alle kennen und schätzen.
Unsere Bergführer für diesen Tag waren Brigitte Jöhl, die die Tour organisiert hat, und Florin Zalum, der unseren Kindern einen Feinschliff in Sicherungsaspekten und Klettertechniken im Klettersteig geben sollte. Aber bevor es soweit war, muss erst einmal der schweißtreibende Anstieg in den Gelbe Wand Steig gemeistert werden, wobei die Gruppe die Strecke nutzt, um sich schon einmal ausgiebig kennenzulernen.
Am Einstieg des Klettersteig wurde die Ausrüstung angelegt und es gab von Florin eine Einweisung in die Technik des Klettersteiggehens, Sicherungsaspekte, sowie Sinn und Zweck einer Standschlaufe. Wie war das noch einmal mit dem Einhaken in das Seil am Klettersteig? Dreipunktsicherung etc.? Vor dem Spaß und dem Naturerlebnis wollen Tourenleiter und Eltern halt auch noch einmal unseren Kindern die notwendigen technischen Aspekte wieder geläufig machen.
Nach den ersten Kletterpassagen dann Stau! Eine Gruppe von mindesten 30 Personen war vor uns und alle wollen in den schwierigeren Tegelbergsteig. Nichts ging mehr. Aber da wir nicht auf den Tegelbergsteig wollten, sondern auf den Gelbe Wand Steig, stellten wir keine Konkurrenz dar und wurden von den Wartenden vorbeigelassen.
Gleich hinter der nächsten Kurve wartete das Klettersteig-Highlight der Tour auf uns: die Seilbrücke. Mit Ruhe und viel Spaß konnte jeder die Seilbrücke ausprobieren. Jeder musste da durch, kneifen galt nicht. Alle waren begeistert und sehr glücklich darüber diese Erfahrung gemacht zu haben.
Im weiteren Aufstieg erklärt uns Brigitte jetzt auch immer wieder die tolle Alpenvegetation und wir genießen den Blick in das Alpenvorland mit dem Forggensee. Die Temperaturen sind jetzt gerade richtig und wir staunen gerade über die faszinierenden Felsformationen, als der Rettungshubschrauber der Bergwacht einfliegt. Damit wurde uns klar, dass der Stau vorhin wohl doch nicht nur wegen Überfüllung entstanden war. Wie wir später erfahren, musste eine Frau nachdem sie abgerutscht war mit einem gebrochenen Knöchel aus dem Klettersteig geborgen werden. Kein leichtes Unterfangen für die Bergwacht, aber ein beruhigendes Gefühl, das im Ernstfall Profis mit hohem technischem Aufwand helfen und für unsere Kinder auch eine kleine Erinnerung, dass bei allem Spaß und Mut auch immer mit viel Augenmaß am Berg agiert werden muss.
Nach einigen weiteren Kehren erreichten wir dann das Ende des Klettersteiges und freuten uns alle auf eine ausgiebige und unterhaltsame Brotzeit – die Blicke schweifen in die noch sehr großen Schneefelder und die Umliegenden Gipfel auf der einen und die Münchner Tiefebene auf der anderen Seite. Über uns, mit dem Wind spielend, die Gleitschirmflieger. Unsere Familie sondiert schon einmal das Ufer des Bannwaldsees von oben, um den vermeintlich besten Badeplatz für später zu erspähen. Nach einer Schneeballschlacht, einer Rutschpartie über verharschte Altschneeflächen beim Abstieg und einer kleinen Einkehr in die Rohrkopfhütte ging es wieder zurück zum Auto. Eine schöne Tour, die allen sehr viel Freude gemacht hat. Und wir hatten nicht nur einen tollen Abschluss im See, sondern per Zufall auch noch einen kulinarisch fantastischen Ausklang in einem kleinen griechischen Restaurant auf dem Rückweg. So schön kann Bergwandern sein!
Sonntag, 13.06.2021, Autorin: Sandrina Bachmaier
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
… dachte ich mir und meldete mich kurzerhand als Neuling in der Sektion Karpaten für meine erste Tour, den Einsteiger-Klettersteig am Tegelberg, an. Die Tour für Anfänger und Jugendliche gedacht, fand großen Anklang bei den Nachwuchs-Karpatlern. Brigitte, die Organisatorin, beschloss spontan zur Freude aller, Samstag und Sonntag zu gehen, so dass wir jeweils in einer gut überschaubaren Gruppengröße unterwegs waren. Die meisten von uns sind natürlich begeisterte Wanderer, hatten sich aber noch an keinen Klettersteig mit Ausrüstung getraut.
Am Sonntagmorgen trafen wir uns alle etwas müde um 8.30h an der Tegelbergbahn im Allgäu. Brigitte stattete uns mit dem benötigten Material aus und mahnte die Jüngste unter uns ein wenig zur Vorsicht. Nach einer kurzen Einführung in die Tour und einer Vorstellungsrunde, starteten wir voller Vorfreude in Richtung Gelbe Wand. Das Wetter für dieses Wochenende war sehr warm und sonnig angekündigt, obwohl es am Sonntagvormittag zunächst noch bewölkt und frisch war. Die erste Stunde bis zum Steig ging jedoch auf einem Forstweg so steil bergauf, dass wir die erste Lage nach ein paar Schritten gleich wieder ausziehen konnten. Vor dem Steigeinstieg unterrichtete uns Brigitte, wie wir Gürtel, Klettersteigset, Karabiner richtig anlegen, worauf es beim Klettersteiggehen ankommt und wie wir uns bei einem drohenden Steinschlag verhalten sollen.
Theorie und Praxis dachte ich mir nur – ob ich wohl auch an alles denke, wenn mich der Abgrund direkt anlächelt? Um nicht gleich zu Beginn mit ersten „Fehlern“ aufzufallen, war ich froh, mich im letzten Drittel der Schlange einreihen zu können. Voll bepackt ging es los – Karabiner auf, Karabiner zu, Klick Klack, nächster Seilabschnitt. Bei neuen Herausforderungen im Steig bekamen wir gleich eine weitere Anleitung von Brigitte. Immer nur einen Karabiner lösen, versetzt befestigen, festhalten, konzentriert weiterklettern. So arbeiteten wir uns als Gruppe Stück für Stück den Berg hoch. Nach ein paar Schritten folgte die Routine und es begann einfach nur Spaß zu machen. Die ersten Witze vielen, die Stimmung war lustig und entspannt. Vorbei an wartenden Kletterern, die alle den schweren Tegelbergsteig meistern wollten, kamen wir direkt zu unserem Highlight des Tages: die Seilbrücke!
Ein Hauch von nichts, außer 4 gespannte Seile zwischen zwei Felsen sollten unseren Weg auf die andere Seite ebnen. Brigitte, wie immer cool und professionell, tänzelte über die Seilbrücke und forderte uns auf es ihr gleich zu tun. Einer nach dem anderen meisterte die Brücke spielend. Meine Knie, weich wie Pudding, forderte ich mental auf, ein wenig Stärke zu zeigen, da ja sowieso nichts passieren kann… theoretisch. Nach ein paar Metern kam der Mut zurück und die leichten Schwankungen gegen Ende der Brücke konnten mir nichts mehr anhaben. Puh geschafft! Alle Gruppenmitglieder kamen sicher auf der anderen Seite an und nach einer kurzen Trinkpause ging es dem Ziel entgegen. Das letzte Stück war noch ein wenig anstrengend, da die Temperaturen gegen Mittag ordentlich anstiegen. Bevor es jedoch zu heiß wurde, waren wir alle oben auf dem Berg angekommen und konnten uns im Halbschatten auf einer herrlichen Wiese zwischen Alpenglöckchen und Enzian erholen und stärken.
Nach einer ordentlichen Brotzeit setzten wir zum Abstieg an, nachdem die Kids der Gruppe den nächsten Gipfeln nicht mehr erklimmen wollten. Der Abstieg war mühelos; wir plauderten über die Sektion und die vielen Bergtouren und tauschten unsere Geschichten aus. Brigitte erzählte immer wieder spannende Fakten zu Flora und Fauna, den geschützten Enzianarten, Schlüsselblumen, Alpenglöckchen und noch vielem mehr – das Wissen zu diversen Alpenblühern, welches essentiell sein sollte und trotzdem viel zu oft in Vergessenheit gerät.
Nach einer weiteren kurzen Trinkpause in der Rohrkopfhütte kamen wir gegen 18h wieder am Parkplatz an. Eine kleine Kneipptour lud noch zum Kühlen der geschwollenen Füße ein. Ein wunderbarer, lehrreicher und einfach schöner Klettersteigtag ging wie ein gemütlicher Familienausflug zu Ende – und das obwohl ich vorher keinen der Teilnehmer kannte.
Mein Fazit für den Tag: Mit dem Einsteiger Klettersteig auf den Geschmack gekommen!
Frühlings-Küchenschelle, Foto: Brigitte Jöhl Frühlingsenzian, Foto: Brigitte Jöhl