Im Rahmen des Großen Sachsentreffens in Hermannstadt hat die Sektion Karpaten des DAV mehrere Wanderungen in die Siebenbürgischen Karpaten angeboten. Den Negoiu und den Moldoveanu zu erklimmen, das hatten sich 20 Personen an 2 aufeinander folgenden Terminen vorgenommen. Alt und Jung gemeinsam auf Tour.
Die erste Wanderung ging auf den Negoiu (zweithöchster Berg Rumäniens, 2535 m) mit dem Startpunkt Sambata de Jos. Der Dorfpfarrer persönlich und zwei weitere Fahrer ersparten uns den langen Zustieg und brachten uns mit guten alten Dacias und einem Jeep zum Ausgangspunkt der Tour.
Geschichten über phantasievolle Vergaberechte beim Bebauung der Grundstücke mitten im dichten Wald auf dem Weg nach oben machten die Fahrt sehr kurzweilig. Nach ca. 45 Minuten waren wir am Startpunkt, und die Wanderung, rauf zur Cabana Negoiu auf 1533 Meter, konnte starten.
Anfänglich sorgsame Blicke auf die Bärenwarnschilder wichen schnell einem geselligen Geplauder. Wir waren eine bunt gemischte Gruppe, Alt und Jung, Kinder mit ihren Eltern, Jugendliche mit Musikinstrumenten und einfach nur bergbegeisterte Wanderer und solche, die es noch werden sollten.
Es gab viel zu erzählen.
Der Aufstieg zur Negoiu-Hütte ging durch grünen Mischwald. Die Hütte selbst überraschte durch viele außen angebrachte PV-Anlagen und sicherte der Hüttenwirtin eine gewisse Autarkie. Die sparsam angebrachte, immer etwas flackernde Innenbeleuchtung sorgte für eine schummerige Schlossatmosphäre.
Einige aktive Teilnehmer des Großen Sachsentreffens (am WE nach der Tour) hatten ihre Trompeten auch dabei. Ihre musikalischen Einlagen abends und morgens sorgten für gute Stimmung, bewundernde Blicke am Gipfel und die Gewissheit, Alt und Jung, das geht, und wie!
Hans nutzte die Stunden bis zum Abendessen, um unser Wissen in Knotenkunde aufzufrischen.
Die mitwandernden Kinder durften das Erlernte gleich umsetzen und wurden an der vorhandenen Schaukel in luftiger Höhe, zum Vergnügen aller, gesichert.
Am folgenden Morgen ging es an Wasserfällen vorbei, rauf zum Negoiu, ein herrlich warmer und sonniger Tag mit Ausblick auf riesige Schafherden, die in atemberaubendem Tempo die Hänge erklommen. Nach ca. 4 Stunden erreichten wir den Gipfel. Oben angekommen und nach einer kleinen Stärkung, wurden ein paar Ständchen gesungen, begleitet von Trompetenklängen.
Für einige ging es, mit einem Abstecher, weiter zum Kirchendach (ca. 4 Stunden). Eine Tour, die Schwindelfreiheit und etwas Kletterkünste abverlangte; Respekt für den mitwandernden Jonas, der mit 8 Jahren die gesamte Tour bravourös schaffte. Hans sicherte ihn an einigen ausgesetzten Stellen.
Zurück in der Hütte konnten wir die reichlich vorhandenen Außenbänke bei Bier, Gesang und Abendrot genießen.
Der lange Abstieg ganz hinab ins Tal wurde dieses Mal nicht mit den Autos bewältigt, unten wartete ein Traktor mit Anhänger auf uns. Wir verteilten uns auf den Strohballen, und eine schaukelnde Fahrt hinunter ins Tal begann. Den peitschenden Ästen ausweichend, lachend und immer tiefer in das Stroh einsinkend, hatten wir unseren Spaß.
Unten angekommen, haben wir uns im Dorfladen mit Ciocolata de casa (Hausschokolade), Radler und Obst versorgt, gleich an Ort und Stelle alles verputzt und konnten uns so voneinander verabschieden.
Für die zweite Tour, auf den Moldoveanu, trafen sich alle 11 Teilnehmer vor dem Deutschen Forum in Hermannstadt und konnten dort einen Teil des Gepäckes aufbewahren. Danke noch einmal dafür, keine Selbstverständlichkeit, hatten doch die Mitarbeiter mit dem gleichzeitig stattfindenden Großen Sachsentreffen alle Hände voll zu tun. Einige Teilnehmer der ersten Tour waren auch wieder mit dabei.
Es ging mit Taxis und einem privaten PKW zur Balea Cascada (Wasserfall) und mit der Seilbahn hinauf zur Balea Hütte. Die Serpentinenstraße (ein Teil der Transfagarasan Straße) ist zwar sehr schön, von Bären gut besucht, aber eben auch sehr beliebt. So haben wir uns den Stau auf zur Hütte erspart und sind lieber oben noch etwas gewandert. Eine Hütte kann man unsere erste Unterkunft wohl kaum nennen. Der Komfort ließ eher an ein Hotel erinnern, Eckbadewanne, Duschhaube und Manikürset, alles vorhanden; …hätte wohl niemand vermisst. Vermisst haben wir dafür am nächsten Morgen die Sonne und die Berge, alles war in einer Nebel- und Regenwand verschwunden.
Nun ja, bei schönem Wetter kann jeder wandern, wofür man schließlich gute Regenkleidung dabei hat, die jetzt mal ihren Dienst tun konnte. Leider war der Regen hartnäckig, ergiebig und die Temperaturen wurden einstellig. Wir wanderten von Kamm zu Kamm, begleitet von Nic und seinen beiden Söhnen. Bei vielen interessanten Gesprächen vergaßen wir den Dauerregen und kamen gefroren und völlig durchnässt auf der Podragu-Hütte (2136 Meter) an. Diese wird nur mit Maultieren (4-5 Stunden Zustieg) versorgt, und entsprechend kostbar war alles, was vor Ort vorhanden war: warmer Tee, Suppe, Decken, Klopapier. Leider wurde nicht geheizt. Die Hüttenwirtin verwies darauf, es sei ja schließlich August, da wird nicht geheizt.
Gut, dass sie erwähnte, dass es August war, es fühlte sich nicht danach an. Nic erzählte uns in einem Vortrag über sein EU Projekt. Er kümmert sich als Architekt darum, dass der Hütten Aus- und Umbau möglichst nachhaltig erfolgt.
Draußen im kalten Regen wurde auf Gaskochern gekocht, eine tschechische Wandergruppe ist aus ihren Zelten in die Hütte geflohen, und wir bestaunten die unverwüstlichen Hirtenhunde. Völlig unbeeindruckt standen sie im Regen da und hatten nur die Schafe im Blick.
Gegen 21:30 Uhr hieß es dann ab ins Bett, und alle verschwanden in ihren Eisenbetten im gemeinsamen Schlafsaal. Die Nacht war besser als befürchtet und auch die etwas kratzigen Wolldecken waren warm, die Kleidung trocknete am Körper, einen Trockenraum gab es leider nicht.
Wir freuten uns aufs Frühstück, man konnte sich entscheiden zwischen 2 Eiern mit oder ohne Käse, da ist man nicht groß wählerisch, Kaffee oder Tee gab es schließlich auch. Gut gestärkt und mit Plastiktüten an den Füßen (Tipp der Hüttenwirtin gegen die nassen Schuhe) konnten wir losmarschieren, auf die lange Tour zum Moldoveanu und hinunter ins Simbata-Tal.
Auf dem Weg zum Moldoveanu konnten wir die unendlichen Weiten und grünen Wiesen und Berge bewundern, diese einzigartige Landschaft, in der sich unser Gipfel befand, Schafherden mit ihren Hirten und Hunden. Eine weitläufige und gefällige Landschaft. Plötzlich riss der Nebel auf und vor uns zeigte sich unser heutiges Ziel, der Moldoveanu. Am Kamm entlang, immer den Gipfel vor Augen, konnten wir es kaum fassen, plötzlich Sonne, was für ein Geschenk.
Am Gipfel gönnten wir uns alle ein kleines Bier und eine Brotzeit, zufriedene Gesichter, jeder suchte sich ein Plätzchen und genoss den Moment, was für ein Glück, in jeder Hinsicht. Dann hieß es absteigen, einen langen Abstieg hinunter ins Sambata-Tal, ein wirklich langer 10-Stunden-Tag ließ uns müde und hungrig in der Salvamont-Hütte ankommen. Die Katzenwäsche am Fluss machte uns schnell wieder munter und frisch für das Abendessen.
Unter einem Pavillon haben die alten Hüttenwirte das Abendessen zubereitet; die alte Hütte existiert nicht mehr und die neue ist noch nicht fertig. Es war ein feucht-fröhlicher Abend, erst draußen und dann drinnen in der Salvamont-Hütte, mit guter Stimmung und ein paar Geschichten auf rumänisch von den alten Hüttenwirten.
Frühstück gab es wieder im Freien, das Wetter war gut, und so machten wir uns auf den letzten gemeinsamen Weg ganz runter ins Tal.
Es waren unvergessliche Momente und Tage voller Zufriedenheit und Dankbarkeit, so eine herrliche Landschaft mit einer Gruppe zu genießen. Besonderen Dank an Hans, der das richtige Gespür für Tempo und Organisation. Die Gelassenheit, nicht alles bis ins Detail zu planen, jedem sein Tempo zu lassen und dennoch die Gruppe im Auge zu haben und auch Kindern und Jugendlichen Momente zu bieten, die so eine Tour nicht vergessen lassen.
Fotos von Hans Werner und Barbara Jakob